Die etwas andere Rückschau 2015: Zeitgeistblüten

Es gibt Yoga-Meisterschaften. Also eine Art Kampfyoga. Kein Scherz. Leicht bekleidete Teilnehmende zeigen Yoga-Posen auf der Bühne. Die behaupten zwar alle, es geht dabei um die persönliche Entwicklung und nicht den Kampf gegen die anderen. Komisch, dass es dann doch eine Bewertung in Punkten und eine Rangliste gibt...Wie wärs denn mit Go-Crazy-Yoga? Oder doch lieber ein Meditations-Battle: „Sitz deinen Gegner in Stücke.“ Oder ein Speed-Jakobsweg? Himmel hilf...manche Dinge kriegt man einfach nicht als Abkürzung oder als Event. Das wäre mal zu lernen.

Schon gehört von der App, die es erlaubt, mit einem Klick 40 Rappen zu spenden für Kinder in Lesotho? Oder die, die Ihnen eine Auswahl an Projekten vorschlägt, die Sie per Klick unterstützen können? Jetzt haben wir sie also: die Altruismus-Drohne. Schön sauber im Bunker sitzen und aufs Knöpfchen drücken. Da fällt es doch gleich leichter, in der Einkaufsmeile am Bettler vorbeizugehen. Warum grad Lesotho? Egal. Wer auf die Liste der auswählbaren Projekte kommt, entscheiden die App-Macher... Wohlverstanden: Gutes tun ist sicher nicht schlecht. Und doch, auch auf die Gefahr, mich sehr unbeliebt zu machen: ich finde die Tendenz problematisch, Mitgefühl zu exportieren und daraus dann einen social-media-was-sind-wir-alle-gut-Hype zu machen. Mitgefühl in Unternehmen wäre der viel grössere Hebel.

Wladimir Klitschko soll an der HSG zu Innovation und Change Management dozieren. Darüber habe ich mich schon ausgelassen, aber in der Hitparade darf er natürlich nicht fehlen: Elefanten gehen in den Porzellanladen, Klitschko geht an die HSG.

Tierschützer haben für einen Affen das Copyright für ein Foto eingeklagt, das der Affe von sich selbst gemacht hatte, nachdem er die Kamera des Fotografen an sich genommen hatte. Ich nehme an, die möchten dem Affen dann die Tantiemen überweisen, nachdem sie ihn im Wald aufgespürt haben, um seine Bankverbindung zu erfahren...die Regulierungsdichte macht vor niemandem halt.

An US-Universitäten wird versucht, präventiv alles zu unterbinden, was eventuell bei irgend jemandem irgend eine Beeinträchtigung seines Wohlbefindens auslösen könnte. Eine Aufführung des berühmten Theaterstückes „vagina monologues“ wurde abgesagt, weil das Stück Frauen ohne Vagina nicht berücksichtige...man verbietet also ein Stück, mit dessen Aufführung die Autorin Geld sammelt für Projekte gegen Gewalt an Frauen, weil man der Meinung ist, das Stück übe Gewalt aus gegen Frauen. Wir sind so weit, dass nicht nur das Leiden aus unseren Leben verbannt werden soll: jetzt soll es schon dem potentiellen Unwohlsein an den Kragen gehen. Wie gewalttätig ist denn das?

In einem halbseitigen Zeitungsartikel im Wirtschaftsteil kamen folgende Wörter vor: Börsenturbulenzen Zinspolitik Expansionskurs Vollbeschäftigungsziel Wechselkursregime Aussicht auf höhere Zinsen Exporte wirtschaftliche Abkühlung Binnenwirtschaft Nullzinspolitik Abwertung Wachstumsdrosselung Währungszerfall Rohstoffmärkte Aufwertung deflationärer Druck Inflationserwartungen Teuerungsrate Anleihenkurse Inflationsziel Marktumfeld Energie- und Nahrungsmittelpreise Devisenmarkt Anleihenkaufprogramm verbale Interventionen Rückenwind eines tiefen Wechselkurses Ölpreis Euro Experten China latentes Risiko Zinsschraube. Gebt es doch einfach zu: wir haben es nicht im Griff. Vielleicht sollte man es mit Schimpansen versuchen? An der Börse scheinen die ja gestandene Broker punkto Performance auszustechen.

Facebook soll planen, zusätzlich zum Like-Button einen Hug-Button einzuführen, als Ausdruck von Unterstützung und Mitgefühl. Die Digitalisierung unserer Gefühlswelt schreitet voran: Zuckerbergs Beitrag zu unserer emotionalen Kompetenz. Ich schlage einen I-like-it-big-hug-for-everybody-love-Button vor. Pünktlich zur Weihnachtszeit.

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