Die satirische Rückschau 2018

Beginnen wir mit etwas Leichtem: Bei „The Donald“ findet man ja schnell Absurdes. Schon früh im Jahr legte er los, nach dem Schul-Massaker in Florida: „Wenn es einen Lehrer gegeben hätte, der sich mit Feuerwaffen ausgekannt hätte, hätte dies sehr gut dazu führen können, den Angriff sehr schnell zu beenden.“ Seither warten wir darauf, dass der Lehrerverband die ersten Scharfschützenkurse ausschreibt...

Roger Köppel stösst in neue Dimensionen vor: erst lädt er Steve Bannon als Moderator ein, ein paar Wochen später ist er bei Marine le Pen zu Gast. Ich weiss schon, man sagt, er sei so brillant und intelligent, aber irgendwo scheint es da doch Grenzen zu geben. Auch irgendwie beruhigend – oder auch nicht. Was wird ihm in Zukunft noch einfallen, um sich zu steigern?

Volkswagen fährt Rekordgewinne ein trotz Dieselskandal – der freie Markt richtet also doch nicht alles.

Im März: ein Interview einer Vertreterin aus dem tiefsten Dickicht des Beraterdschungels: „Mit dem Verstand können wir lernen, mit dem richtigen Gefühl zu reagieren“. Klingt irgendwie nach „das richtige Gefühl am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt“. Wer definiert denn „das richtige Gefühl?“ Ich bin plötzlich so müde...Auf ihrer Website heisst es: „Mir wurde früh bewusst, dass ich das, was ich lernen möchte, nicht an den Universitäten der reichen Industrienationen lernen kann. Ich verbrachte prägende Lehr- und Entwicklungsjahre in Indien und Indonesien, bereiste Mittel- und Südamerika und kehrte schließlich nach Europa zurück.“ Trotzdem wäre man ja ein wenig neugierig, was denn nun ihr Hintergrund ist, denn Flugmeilen allein machen ja nicht per se klüger.

In Spitälern werden Fallpauschalen eingeführt für sterbende Patienten, die in die Klinik eintreten. Im Klartext: wenn Sie nach einer gewissen Zeit nicht tot sind, werden Sie wieder nach Hause geschickt. Wie früher in der Schule: Vor die Türe wegen ungebührlichen Verhaltens. „Hören Sie auf, unsere Zeit zu verschwenden und kommen Sie gefälligst wieder, wenn es Ihnen ernst ist.“ Sachen gibt’s...

Und dann: Cambridge Analytica stirbt – ab und an richtet es der freie Markt ja doch.

Guillaume Barrazzone, Stadtrat von Genf, telefoniert in einem Jahr für über siebzehntausend Franken. Beeindruckend. Allein schon die Zeit, die man dafür investieren muss, Hut ab. Aber mal abgesehen von der Berechtigung dieser Gespräche hätte die Stadtverwaltung ja wenigstens an Flatrate-Abos denken können...

An meinem Geburtstag war dann wieder mal eins meiner Lieblingsthemen dran. Eine Psychologin erklärt: „Wenn ich also zwanzigmal denke, «ich sollte jetzt endlich die Einkaufsliste für mein perfektes Menü machen», aber nichts passiert, merkt das Hirn: Das ist offenbar nicht so wichtig. Wenn ich dann tatsächlich die Einkaufsliste erstellen will, stellt mir mein Hirn keine Energie mehr dafür zur Verfügung.“ Aus der Reihe „ich und mein Gehirn“, und ich frage mich einmal mehr: wer ist denn da sonst noch zu Hause bei mir? Vielleicht doch besser die Flugmeilen?

Dann der Aufreger über Novartis, (der, die oder das?) vier Millionen veranschlagt für eine Infusion, die einem Kind, das mit zwei sterben würde, dreizehn zusätzliche Lebensjahre bei guter Gesundheit verspricht (und das dann also nach Adam Riese, was aber nicht erwähnt wird, mit fünfzehn sterben wird. Irgendwann ist es alt genug, um zu verstehen, dass seine Eltern diese Entscheidung getroffen haben; das macht das Ganze nicht einfacher). In der Diskussion war zu lesen, dass Schweizer bereit seien, hunderttausend Franken für ein Lebensjahr zu zahlen. Das wiederum klingt wie aus dem Argumentarium einer Gruppe von Geiselnehmern, die in der Höhle der Löwen einen Investor suchen. Aber habe ich hier eine gute Antwort? Nein. Wir leben in einer Zeit der Überforderung, und die wird noch steigen, da wette ich drauf.

Und zu guter Letzt: Emotionale Intelligenz wird am Arbeitsplatz immer höher gewichtet, und da gibt es jetzt ein Testverfahren, mit einem interessanten Konzept: der Test fokussiert ausschliesslich auf problematische Situationen, die negative Emotionen hervorrufen. Die Herren Testentwickler, aber offensichtlich auch die Käufer, scheinen davon auszugehen, dass Erwerbstätigkeit zunächst mal vor allem aus Mühsal, Stress und Ekel besteht...vor meinem geistigen Auge erscheinen grelle Stelleninserate: „Sind sie taff genug, um bei uns zu arbeiten? Denn eins sagen wir Ihnen: lustig wird das nicht!“ Also wenn Sie mich fragen: wenn das Ihr Modell ist, sollten Sie erst mal an ein paar anderen Orten gucken, was eigentlich los ist.

Und so sind wir gespannt, was das neue Jahr bringt, und bei allen Absurditäten bleibt doch eines: dort, wo man kann, dazu beitragen, dass sich die Dinge möglichst zum Guten entwickeln. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes neues Jahr.

scheint ihm zu gefallen...zoom