Elisabeth Kübler-Ross hat Sterbende interviewt und daraus Phasen abgeleitet, die sterbende Menschen in der Regel durchlaufen – wenn auch nicht immer streng sequentiell: Schock, Verleugnung, Wut, Verhandeln, Trauer, Akzeptanz. Man hat festgestellt, dass analoge Prozesse in allen Arten von Veränderungs-prozessen ablaufen, die ja im Kern immer auch eine existentielle Komponente aufweisen. Daraus ist die bekannte Change-Kurve entstanden, mit ihrem charakteristischem Verlauf punkto Systemleistung, die im Verlauf von Veränderungsprozessen in spezifischen Phasen sinkt, um dann wieder anzusteigen.
Das momentane Top-Thema zeigt alle diese Charakteristiken: der Franken-schock (oder ist es der Euro-Schock?) hallte durch die ganze Wirtschaftswelt. Der Ärger und die Auflehnung gegen Herrn Jordan liessen nicht lange auf sich warten, verbunden mit – nutzlosen, weil in die Vergangenheit gerichteten – Verhandlungsversuchen: man hätte doch anders kommunizieren können / den Mindestkurs auf 1.10 festlegen etc. Auch die Industrie bekam ihr Fett weg mit dem Vorwurf, sie habe sich auf dem garantierten Mindestkurs ausgeruht – meiner Ansicht nach eine Anmassung gegenüber hart arbeitenden und durchaus umsichtigen Führungskräften.
Aktuell scheint die Phase der Frustration und Trauer zu überwiegen: Experten überbieten sich mit pessimistischen Prognosen, und man rechnet uns vor, wie die Löhne sinken werden und wie viele Arbeitsplätze das kosten wird.
Drei Dinge möchte ich nicht tun: erstens die Lage schön reden. Es dürfte wohl tatsächlich hart werden für eine Weile. Zweitens den Trübsal im Keim ersticken und Parolen verbreiten wie „Schluss mit Jammern und die Ärmel hochkrempeln“. Denn die aktuelle Phase ist eine natürliche und wichtige, an der man nicht vorbeikommt und die ihren Platz braucht. Bloss in ihr stecken bleiben sollte man nicht, und dafür mag es gut zu wissen sein, dass sie nicht ewig dauert. Und drittens werde ich nicht hingehen und heiter-verklärt die „Krise als Chance“ beschwören; ich glaube, dass man damit den Leuten potentiell extrem auf die Nerven gehen kann - im Moment findet das nun mal keiner lustig.
Der Übergang in die Schlüsselphase der Akzeptanz ist bereits im Gange: Akzeptanz, dass ein solcher Schritt der SNB irgendwann kommen musste (das war schon in den frühen Kommentaren zu lesen), Akzeptanz der Situation, wie sie ist, und Akzeptanz der Aufgaben, vor die sie uns stellt. In dieser Phase erwacht man wieder zum Leben, und die Überzeugung wächst, dass man etwas tun kann. Akzeptanz ist die Voraussetzung für eine nachhaltige positive Entwicklung. Die Medien können ihren Teil dazu beitragen, diese Phase zu nähren, indem sie die Aufmerksamkeit auf Anzeichen der Trendwende lenken und sich nicht zu sehr auf die Negativprognosen allein einschiessen.
Und wie soll das aussehen, was nachher kommt? Allenthalben war zu lesen, dass die Unternehmen schon mit dem Kurs von 1.20 die Zitrone auspressen mussten; und vielleicht hat die Zitronenstrategie tatsächlich ihre Grenzen erreicht – die Burnout-Quote spricht Bände. Gefragt ist wohl nicht „mehr des Selben“, sondern ein Paradigmenwechsel. Das könnte die Chance sein für Konzepte wie Selbstorganisation, sinnbasierte Leadership-Ansätze, Empowerment und systemische Unternehmensführung. Sie liegen schon lange bereit, bloss genutzt werden sie noch sehr wenig. Aber wenn unsere Lebensqualität auf längere Sicht unter dem Strich steigen soll, sind vielleicht nur solche Ansätze zukunftsfähig.
Kübler-Ross oder Frankenschock: Eine Krise wie die aktuelle ist ein bisschen wie Sterben, mit dem bedeutenden Unterschied, dass viel mehr zu gestalten bleibt und die Möglichkeiten ungleich weiter in die Zukunft weisen. Und selbst wenn das im Moment keiner will, wusste schon Goethe: „Und so lang du das nicht hast, / dieses: Stirb und Werde! / Bist du nur ein trüber Gast / auf der dunklen Erde.“